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Seligenstadt holt den Kreispokal

Kein Double für den frischgebackenen Hessenmeister: Gegen die Sportfreunde Seligenstadt verspielte Dreieich eine 3:0-Halbzeitführung und unterlag dramatisch mit 4:7 n.V.

Rudi Bommer stellte seine Meister-Elf vom Wochenende auf gleich vier Positionen um: Alexander Loch rückte für Paul Jivan zwischen die Pfosten, Ljubisa Gavric verteidigte an Stelle von Julian Dudda im Zentrum, Danny Klein kam für Abassin Alikhil und Ralf Schneider ersetzte Youssef Mokhtari, der erst gar nicht im Kader stand.

Das Spiel begann temporeich, die übliche Phase des Abtastens wurde übersprungen und sogleich auf beiden Seiten mit dem Ansturm begonnen. Die erste Chance hatten die Seligenstädter gleich nach einer Minute, als Philipp Hochstein völlig frei in zentraler Position zum Abschluss kam, jedoch mit Gewalt über das Tor schoss. Auf der Gegenseite fackelte der Favorit nicht lange und nutzte seine erste Chance gleich zur Führung: Loris Weiss setzte sich nach Flankenwechsel auf rechts durch, legte für Ralf Schneider auf, der mit Übersicht rechts unten einschieben konnte (4.).

Und es ging mit offenem Visier weiter. In der 9. Minute konnte Denis Talijan in letzter Sekunde gegen Marius Loebig klären, zuvor war Weiss nach einem langen ball von Talijan zu eigensinnig und vertändelte anstatt auf den mitgelaufenen Tino Lagator abzulegen. Beide Mannschaften zeigten Lücken im Abwehrverband und luden die gegnerische Offensive zu Torraumszenen ein. Profit konnte daraus allerdings nur der Meister schlagen: Zunächst zwang Weiss Seligenstadts Keeper Daniel Duschner zu einer Glanzparade (17.), zwei Minuten später steckte Daniel Henrich  für Lagator durch, der vor dem Torwart die Nerven behielt und den Ball neben den linken Pfosten ins Netz beförderte (19.).

SC Hessen eiskalt

Zeichnete sich Seligenstadt beim 4:0-Sieg im Liga-Rückspiel noch durch eine gnadenlose Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor aus, versäumte es die Schmidt-Elf im ersten Durchgang komplett, seine Großchancen zu nutzen und im Spiel zu bleiben. In der 22. Minute setzte sich Kevin Hillmann im Strafraum mit einem Pressschlag durch und stand plötzlich frei vor Alexander Loch. Der Abschluss klatschte allerdings an den rechten Pfosten und statt 2:1 stand es postwendend 3:0. Denn Schneider wurde im Konter freigespielt, hatte die Übersicht und legte für Lagator auf, der nur noch ins leere Tor einschieben musste (22.).

Bis zur Halbzeit hätten mindestens zwei weitere Treffer fallen müssen: In der 31. Minute traf Alban Lekaj mit einem frechen Distanzschuss nur das Lattenkreuz, zehn Minuten später kam Danny Klein über links frei vors Tor, ging ins Eins-gegen-Eins und schob den Ball am rechten Pfosten vorbei (41.). Da auch Seligenstadt seine Chancen durch Dalmeida (27.) und Salii (35.) nicht in zählbares ummünzen konnte, ging es mit 3:0 in die Halbzeit.

Der zweite Durchgang sollte dem Publikum einiges bieten und begann sogleich mit einem Paukenschlag: Während ein Teil der Zuschauer noch an der Wurstbude anstand, fand Seligenstadt den optimalen Einstieg und verkürzte mit einem herrlichen Schlenzer des eingewechselten Tobias Leis in den rechten Torwinkel auf 1:3 (46.). Und nur eine Minute später war es erneut Leis, der im Dreieicher Strafraum-Gewühl die Übersicht behielt und auf 2:3 stellte. Ein Traumstart für den Underdog, der nun klar Oberwasser hatte und in der 55. Minute sogar hätte ausgleichen können.

Dreieich war nun bemüht, wieder Ruhe ins Spiel zu bekommen, zog die Abwehrreihen etwas zurück und verlagerte das Spiel in die Breite. In der 58. Minute hatte Klein die Chance per Kopf wieder davon zu ziehen, blieb aber zum wiederholten Mal in diesem Spiel glücklos. Ebenso erging es Weiss in der 63. Minute, als er mit schnellem Doppelpass vor Duschner auftauchte und den Seligenstädter Torwart anschoss.

Krist stellt das Spiel auf den Kopf

Solche Nachlässigkeiten werden im Fußball allzu oft bestraft und so war es Seligenstadts Kapitän Viktor Krist, der in der 65. Minute bei einer hereinsegelnden Freistoßflanke aus dem rechten Halbfeld am höchsten stieg und zum vielumjubelten Ausgleich einnickte. Das Spiel war auf den Kopf gestellt, der Meister kalt erwischt. An Chancen mangelte es gleichwohl nicht: In der 73. Minute trieb Schneider das Leder nach vorne und Lagator verfehlte mit einem Drehschuss nur ganz knapp die erneute Führung. Fünf Minuten später stand der eingewechselte Daniele Fiorentino völlig frei am zweiten Pfosten und war nicht in der Lage, die maßgeschneiderte Weiss-Flanke einzuköpfen (78.).

In der 89. Minute schien sich das Glück wieder zugunsten der „Hessen“ zu wenden: Schneider tankte sich Station um Station durch, wurde am Strafraum zu Fall gebracht und legte dabei noch unfreiwillig per Kopf auf Talijan ab, der den Ball mit Wucht in die Maschen Drosch. Happy End? Von Wegen! In der darauffolgenden Nachspielzeit tat der Hessenmeister alles, um den sichergeglaubten Pokal doch noch liegenzulassen. Yves Boettler und Patrick Hilser wurden zum Toreschießen eingeladen, ließen ihre Chancen aber zunächst liegen. Als Alexander Loch dann noch einen selbstverursachten Elfmeter gegen Boettler halten konnte, schien der Sieg gerettet. Doch dann erlaubte sich Ljubisa Gavric einen haarsträubenden Abwehrfehler, verschätze sich als letzter Mann verheerend und Kevin Hillmann konnte doch noch zum verdienten Ausgleich treffen (90+4).

Unmittelbar darauf pfiff der Schiedsrichter die reguläre Spielzeit ab. In der ersten Hälfte der Verlängerung war Dreieich das aktivere Team, hatte zwei gute Chancen durch Henrich (98./100.) und eine riesige durch Talijan (101.), das Tor machten aber die Anderen: In der 102. Minute kam Seligenstadt über die rechte Seite, Hillmann blieb cool und nagelte den Ball zum 5:4 in die Maschen! Die unmittelbare Antwort der Dreieicher kam durch Weiss, der den Torhüter umdribbelte und abschloss, jedoch in einem Seligenstädter auf der Linie seinen Meister fand.

Die Geschichte des zweiten Durchgangs der Verlängerung ist schnell erzählt: Dreieich fand keine Mittel mehr, fraß noch zwei Konter zum 7:5 (Hillmann/Hilser) und ließ darauf endgültig die Arme sinken. Es ist nicht leicht zu begreifen, wie dieses Spiel gleich zweimal entgleiten konnte. Anzuerkennen ist aber, dass Seligenstadt eine überragende Moral an den Tag gelegt hat, das Unmögliche möglich machte und am Ende völlig verdient den Kreispokal in den Himmel stemmen durfte.

Stimmen zum Spiel

Rudi Bommer (Trainer SC Hessen Dreieich): „Wir hätten das Ding in der regulären Spielzeit gewinnen müssen. Aber man hat schon gesehen, dass bei uns ein wenig die Luft raus war. Die Jungs waren sehr müde und phasenweise träge, so dass der Spielfluss nicht richtig zustande kam. Das einzig Gute ist, dass beide Mannschaften sich für den Hessenpokal qualifiziert haben und die Zuschauer eine Menge Tore gesehen haben. Es ist nicht schlimm, die Mannschaft hat wirklich eine super Saison gespielt, gegen alle Widrigkeiten. Das mussten sie erstmal durchbringen. Wir sind Meister, das ist, was zählt.“

(mb)