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„Kein Weltuntergang“: Interview mit Hans Nolte zur Zukunft des SC Hessen Dreieich

Die erste Regionalliga-Saison des SC Hessen Dreieich biegt auf die Zielgerade ein. Im Interview äußert sich Hans Nolte zu den Zielen des jungen Vereins über die Saison hinaus.

Der SC Hessen kann sich in seiner ersten Saison in der Regionalliga Südwest nicht behaupten. In der Presse wurde orakelt, das sei das Ende des ambitionierten Fußballs in Dreieich?

Der Schritt zurück in die Hessenliga ist für den SC Hessen und diejenigen, die den jungen Verein seit seiner Gründung begleiten, natürlich enttäuschend. Er ist jedoch weder wirtschaftlich noch sportlich der Weltuntergang. Dieser Abstieg ist nicht mit dem Verlust „anonymer“ Einnahmen aus Fernsehgeldern verbunden, die „bekennenden“ regionalen Sponsoren der DSBM fördern die Idee hinter dem Projekt unabhängig von der Ligazugehörigkeit.

Im Sportlichen ist die Hessenliga durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass regelmäßig nur wenige Vereine den Aufstieg in die Regionalliga bewerkstelligen wollen oder können. Zu diesen wird Hessen Dreieich zählen. Also: Kopf hoch – und „uffbasse“!

Mit dem Trainergespann, hieß es, müssen 20 Spieler gehen, Profis werde es im künftigen Team des SC Hessen nicht mehr geben…

Die Verantwortlichen reden mit jedem Spieler persönlich. Es geht dabei um berufliche Pläne, aber natürlich eben auch um die realistische Einschätzung des eigenen Leistungsvermögens im bezahlten Fußball. Was für die Berufstätigen und Studenten unter unseren Spielern gilt, trifft auf diejenigen im Kader, die tatsächlich vom Fußballspielen leben, im besonderen Maße zu. Regionalliga-Profis kassieren keine Millionen und benötigen einen verantwortlich handelnden Vertragspartner. Als individuelle Entscheidung kann es auch für einen Berufsfußballspieler richtig sein, in der Hessenliga für den SC Hessen anzutreten. Ganz allgemein wird der Verein aber sein Vergütungsmodell so verändern, dass der Wettbewerbscharakter betont wird. Der Kader wird jünger und von Trainern mit Referenzen in der Entwicklung von Nachwuchsspielern mit Geduld entwickelt werden.

Ist der Wiederaufstieg trotzdem das Saisonziel 2019/2020?

Die sportliche Entwicklung verlief rasend schnell, nachdem mit dem Trio Körbel/Bommer/Weber Fußball-Know-How zum SC Hessen kam, das quasi „ein paar Spielklassen übersprang“. Aus dem Hessenliga-Abstiegskandidaten wurde der Doppel-Meister, weil Mannschaft und Umfeld unglaublich viel lernen konnten. Der Aufstieg in die Regionalliga, in Wahrheit weit mehr als nur eine Liga entfernt, kam aber doch zu schnell. Karl-Heinz Körbel und Rudi Bommer haben zu Rundenbeginn sehr konkret gesagt, was ein Klassenerhalt kosten werde. Für ein solches Budget fehlte der für die Sponsoren-Mittel verantwortlichen DSBM im vergangenen Sommer die Vision, weil die Erweiterung der Trainingsmöglichkeiten im Sportpark als Teil des Projektes eines „Bildungs- und Sportcampus Lettkaut“ keine Aussicht auf eine baldige Realisierung hatte. Das nahm viel Schwung. Ein zweiter Nicht-Aufstieg war gleichzeitig aus sportlichen Gründen keine Option.

Der Wiederaufstieg darf sein, muss aber nicht. Wir sollten erstens nicht so tun, als sei er sportlich eine Selbstverständlichkeit. Zweitens bestätigt diese erste Regionalliga-Saison, dass ein konkurrenzfähiger Kader ab der vierten Liga seine acht Übungseinheiten pro Woche benötigt. Dafür fehlt im Sportpark, wenn wir den Trainings- und Spielbetrieb der Jugendmannschaften nicht beeinträchtigen wollen, mindestens ein zusätzlicher, vollwertiger Rasenplatz. Ein erneuter Aufstieg ohne vervollständigte Infrastruktur würde vorhersehbar wieder nicht nachhaltig sein. Auch deshalb gilt die Aufmerksamkeit in den kommenden Monaten in erster Linie der Erweiterung und Verbesserung der Trainingsgegebenheiten in der Lettkaut.

Erwarten uns wieder prominente Namen im Trainerteam und in der sportlichen Leitung?

Die besondere Konstellation vor dreieinhalb Jahren, in der eine Truppe von alten Freunden eine gemeinsame Aufgabe anging, war einzigartig. Mit dem Verlust der Vision einer internationalen Fußball-Akademie der Eintracht in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer modernen internationalen Schule ging ein Verlust der Attraktivität des (nicht nur Fußball-)Standortes Dreieich einher. Legenden der Bundesliga werden wir für ein „WIR für Dreieich“ kaum mehr begeistern können.

Das ist aber nicht das Ende der Geschichte. Eine neue Generation auf und neben dem Platz wird sie fortschreiben, vielleicht nicht ganz so prominent, aber sicher engagiert, professionell und im Bewusstsein eines gesellschaftlichen Wandels, der auch die Vereins- und Fußball-Landschaft nicht ausnimmt. Es sei daran erinnert, dass der SC Hessen Dreieich vor sechs Jahren gerade deshalb gegründet wurde, um diesen Wandel zu begleiten und zu gestalten. 

Wie geht es mit dem „Team der ersten Stunde“ weiter?

Unter den rund 90 DSBM-Teammitgliedern, die speziell an den Regionalliga-Spieltagen im und um den Sportpark für einen reibungslosen Ablauf sorgen, sind eine Reihe von Kollegen, für die das kleine Zusatzeinkommen schon einen Unterschied macht. Deshalb werden wir auch in der Hessenliga mehr Funktionsträger im Sportpark sehen, als auf anderen Oberliga-Plätzen. Hinzu kommt, dass im Spielbetrieb ab der 4. Liga eine Anzahl von speziellen Qualifikationen bei Mitarbeitern gefragt sind, die wir besser erhalten und weiterbilden, als sie später erneut zu schaffen. Schließlich wollen wir den Charakter des Sportparks als einem Ort, an dem Freundschaften gepflegt werden, wertschätzen.

Hans Nolte bleibt auch in Zukunft Mäzen des SC Hessen?

Ich sehe mich nicht in der Rolle eines Mäzens, der finanzstark aus dem Hintergrund Gutes bewirkt. In Verbindung mit bezahltem Fußball ist der Begriff sowieso fehl am Platze. Wenn ich Geld in ein Projekt stecke, verfolge ich einen Plan, hier die Stärkung der Einheit der Stadt Dreieich als Wohn- und Gewerbestandort im Rahmen der Initiative „Zukunft Dreieich“. Das passiert über den Fußball als verbindendes Thema. An der Standortattraktivität Dreieichs habe ich als Gesellschafter einer vor Ort ansässigen Firma, die einen ständigen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern hat, ein wirtschaftliches Interesse. Es fügt sich, dass der geschäftliche Erfolg der Firma dem Kreis und der Kommune finanzielle Bewegungsräume verschafft und das Projekt SC Hessen damit im doppelten Sinne Infrastruktur baut. Das braucht seine Zeit und ist weder von persönlichen Befindlichkeiten noch vom unglücklichen Ausgang von zwanzig Fußballspielen abhängig.

Rückschläge gehören bei langfristig angelegten Projekten dazu. Manchmal ist ein Schritt zurück sogar notwendig, um die nächsten beiden Schritte voraus gehen zu können.

(ms)

 

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